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3 Fragen an...

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Geschäftsführer Bosch Health Campus & Mike Teske, Leiter PORT Gesundheitszentrum

Die Menschen werden immer älter, der Bedarf an medizinischer und pflegerischer Versorgung steigt – und gleichzeitig gehen viele erfahrene Ärztinnen, Ärzte und medizinisches Fachpersonal in den Ruhestand. Um dem Ärzte- und Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hat der Bosch Health Campus ein neues Angebot in Stuttgart geschaffen: Das PORT Gesundheitszentrum. Das Besondere: Es bietet nicht nur eine hausärztliche Versorgung, die vom Medizinischen Versorgungszentrum am Robert Bosch Krankenhaus geleistet wird, es beschreitet auch neue Wege. Mit Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Geschäftsführer des Bosch Health Campus, und Mike Teske, Leiter des PORT Gesundheitszentrums, haben wir über das neue Gesundheitszentrum gesprochen.

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, was genau verbirgt sich hinter dem Konzept der PORT-Gesundheitszentren? Und weshalb braucht es in Deutschland überhaupt neue Versorgungsformen in der ambulanten Gesundheitsversorgung?

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher: PORT-Zentren sind lokale Gesundheitszentren, die über die klassische ärztliche Versorgung hinausgehen. Sie vereinen medizinische, pflegerische, soziale und gesundheitsfördernde Angebote unter einem Dach – und orientieren sich dabei konsequent an den Lebenslagen der Menschen vor Ort.

Der Bedarf für neue Versorgungsformen ist groß: Viele Patient:innen – vor allem solche mit chronischen Erkrankungen oder in psychosozial belastenden Lebenssituationen – haben nicht nur medizinischen, sondern auch koordinativen und unterstützenden Bedarf. Unser heutiges Versorgungssystem ist dafür oft zu fragmentiert. PORT-Zentren setzen genau hier an: Sie schaffen Zugänge, fördern Kontinuität und ermöglichen Versorgung, die sich stärker an den realen Lebenswelten der Menschen orientiert.

Mike Teske, inwiefern unterscheiden sich PORT-Gesundheitszentren von anderen (Haus-)Arztpraxen? Kann jede und jeder die Gesundheitszentren nutzen?

Mike Teske: Der zentrale Unterschied liegt im interprofessionellen Ansatz: Bei uns arbeiten nicht nur Ärzt:innen, sondern auch Community Health Nurses, Therapeut:innen, Ernährungs- und Gesundheitsberater:innen und andere Professionen zusammen – nicht nebeneinander, sondern gemeinsam an der Seite der Patientinnen und Patienten.

Und wir betrachten die Menschen, die zu uns kommen, ganzheitlicher: Es geht nicht nur um Diagnostik und Behandlung, sondern auch um Prävention, Gesundheitskompetenz und sozialraumbezogene Unterstützung. PORT-Zentren richten sich an alle, ob krank oder gesund. Vom Kindesalter bis in die letzte Lebensphase. Unser Angebot im Stuttgart richten sich darüber hinaus besonders an Menschen mit komplexen oder längerfristigen Versorgungsbedarfen – also genau an jene, die im klassischen System oft durchs Raster fallen.

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Mike Teske, welche Besonderheiten bringt das neue PORT-Zentrum in Stuttgart noch mit?

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher: Das PORT Gesundheitszentrum am Bosch Health Campus ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein Novum: Es ist das erste PORT-Zentrum in Baden-Württemberg, das in einem urbanen Umfeld angesiedelt ist – mitten in Stuttgart. Das heißt: Wir arbeiten mit einer sehr diversen Stadtgesellschaft, mit sozialräumlichen Gegensätzen und einer hohen Dynamik. Das stellt besondere Anforderungen an unsere Angebote – etwa im Hinblick auf Zugänglichkeit, kulturelle Sensibilität und Sozialraumorientierung.

Dabei geht es uns nicht darum, das Rad neu zu erfinden. Es gibt bereits viele engagierte Akteur:innen und bewährte Angebote im Stadtteil. Wir wollen keine doppelten Strukturen schaffen, sondern bewusst ergänzen, was fehlt – Schritt für Schritt und mit Respekt vor dem, was da ist.

Mike Teske: In der Umsetzung ist das nicht immer ganz leicht. Wir wollen viel – aber es braucht Zeit, Vertrauen und offene Gespräche. Noch finden wir uns in unseren Rollen, wachsen als Team zusammen und lernen jeden Tag dazu. Gleichzeitig sind wir überzeugt: Nur wenn wir zuhören, uns weiterentwickeln und bereit sind, gemeinsam neue Wege zu gehen, kann etwas entstehen, das wirklich trägt.

Dabei bietet die Anbindung an das Robert Bosch Krankenhaus eine besondere Chance: Sie ermöglicht eine strukturelle Verbindung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung – ein Bereich, in dem wir neue Wege gehen wollen. Gerade an diesen Schnittstellen entstehen heute häufig Versorgungslücken – und genau hier setzen wir an, um praxistaugliche Prozesse zu entwickeln, die Versorgung wirklich verbessern.

Welche Aufgaben haben die Community Health Nurses, die Sie dort beschäftigen? Und welche Vorteile bringt das?

Mike Teske: Community Health Nurses (CHN) sind akademisierte Pflegefachpersonen mit erweiterten Aufgaben in der ambulanten Versorgung. Sie begleiten Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf, führen Hausbesuche durch, beraten zu Gesundheitsfragen, koordinieren Hilfen und bieten Kurse zur Gesundheitsförderung an – mit dem Ziel, Gesundheitskompetenz zu stärken und Versorgungslücken zu schließen.

Langfristig sollen sie auch im Rahmen strukturierter Behandlungsprogramme (z. B. Disease-Management-Programme) eine aktivere Rolle übernehmen. Ihre pflegefachliche Perspektive bringt eine wichtige Ergänzung zur ärztlichen Versorgung ein – nicht als Konkurrenz, sondern als eigenständige Profession mit spezifischem Wissen über chronische Erkrankungen, Prävention, Alltagsbewältigung und psychosoziale Zusammenhänge.

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher: Gerade in einer immer komplexer werdenden Versorgungslandschaft sind solche neuen Rollen zentral: Community Health Nurses übernehmen Verantwortung, halten Fäden zusammen und gestalten Versorgung mit. Für Patient:innen bedeutet das mehr Orientierung, niedrigschwellige Unterstützung und Kontinuität in der Begleitung. Für das Gesundheitssystem bieten sie eine tragfähige Ergänzung, um insbesondere chronisch erkrankte oder mehrfach belastete Menschen besser zu erreichen – und das im Sinne einer integrierten, patienten-orientierten Primärversorgung.

Wir möchten mit unserem PORT-Zentrum Pionierarbeit leisten, die Rolle der CHN im deutschen Gesundheitssystem zu etablieren – wie es in Nachbarländern wie Finnland bereits seit Jahren der Fall ist: Dabei gehen wir in Vorleistung und finanzieren unsere beiden Mitarbeiterinnen sowie weitere Leistungen des PORT-Zentrums über Fördermittel unseres Robert Bosch Centrums für Innovationen im Gesundheitswesen.

Seiten-Adresse: https://www.forum-gesundheitsstandort-bw.de/infothek/stimmen-aus-dem-forum/port-gesundheitszentrum