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RESECT

Therapieplanung bei Prostatakrebs mit KI optimieren

Prostatakrebs gehört weltweit zu den häufigsten Krebserkrankungen des Mannes. Das Spektrum der möglichen Behandlungsoptionen ist breit, aber nicht für jeden ist jede Therapie geeignet. Mithilfe einer auf Künstlicher Intelligenz basierten Software-Plattform, die gut in den klinischen Alltag integriert werden kann, wollen Forschende des RESECT-Projekts die Therapieauswahl und -planung bei Prostatakrebs optimieren. Dafür arbeiten Radiologinnen und Radiologen und Urologinnen und Urologen der Universitätskliniken in Mannheim und Tübingen mit Bioinformatik- Expertinnen und -Experten, der Fraunhofer-Gesellschaft, der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) als öffentlicher Trägerin sowie Industriepartnern zusammen.

Die Therapieverfahren reichen von der operativen Entfernung der Prostata bis hin zu organerhaltenden oder nervenschonenden Behandlungsmöglichkeiten. Welche Therapie zum Einsatz kommen soll, ist dabei von verschiedenen Faktoren wie dem Alter des Patienten, der Tumorbeschaffenheit oder der lokalen Begrenzung des Tumors abhängig. Die Vorhersage der Tumorgröße und -beschaffenheit in der Prostata und der sichere Nachweis einer Kapselinfiltration oder einer Infiltration der neurovaskulären Bündel sind von entscheidender Bedeutung, um für den Patienten optimale Therapieergebnisse zu erzielen. „Aus der klinischen Praxis wissen wir: Nicht für jeden Patienten ist jede Therapie geeignet – oft wird besonders beim Prostatakarzinom überdiagnostiziert und übertherapiert, und entscheidende bildbasierte Biomarker werden noch nicht mit in die Therapieplanung einbezogen“, beschreibt PD Dr. Dominik Nörenberg, Oberarzt der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Mannheim die aktuelle Situation in den Kliniken.

Therapieauswahl und -planung optimieren

Vor diesem Hintergrund sollen die notwendigen Vorhersagen mithilfe der Nutzung unterschiedlicher klinischer, histopathologischer und radiologischer Daten sowie dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz künftig deutlich präziser werden und somit die Bildinterpretation sowie die Therapieauswahl und -planung optimieren. Das haben sich Radiologinnen und Radiologen und Urologinnen und Urologen aus den Universitätskliniken Mannheim und Tübingen gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Akademie, Industrie und Forschung im RESECT-Projekt auf die Fahnen geschrieben.

„Unsere Stärke ist, dass wir von Anfang an interdisziplinär und multizentrisch arbeiten und verschiedene Projektpartner im Boot haben“, erklärt Radiologe Nörenberg, der das RESECT-Konsortium leitet. „Von den universitären, medizinischen Einrichtungen über Radiologinnen und Radiologen und Urologinnen und Urologen bis hin zu Industriepartnern aus Medizintechnik, Bioinformatik und Fachgesellschaften arbeiten wir eng verzahnt zusammen.“ Somit kann von der Fachkompetenz die gesamte translationale Wertschöpfungskette bis hin zur Produktentwicklung einer KI-basierten Plattform abgedeckt werden.

Künstliche Intelligenz und Fachwissen verbinden

Ziel ist die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Softwarelösung zur optimierten Therapieauswahl und -planung beim Prostatakarzinom, die möglichst gut in den klinischen Alltag integriert ist und keine Insellösung darstellen soll. Grundlage dafür ist eine Radiomics-Plattform, auf der KI-Algorithmen von Expertinnen und Experten am Fraunhofer MEVIS entwickelt werden und therapierelevante Bilddaten über das Produkt zur strukturierten radiologischen Befundung des Unternehmens Smart Reporting in den radiologischen Alltag eingebunden werden sollen. Die Projektpartner wollen dabei ein integrierte Gesamtlösung umsetzen, um die RESECT-Plattform mit bestehenden Krankenhausinformationssystemen zu vernetzen. Sie ermöglicht die schnelle Auswertung großer therapierelevanter Datenmengen und eine automatische quantitative und qualitative Analyse von Magnetresonanztomographie (MRT)-Bilddaten. All das soll zu einer präziseren Bestimmung des Karzinoms beitragen. „Das spart Zeit und erleichtert uns Radiologinnen und Radiologen die Bildinterpretation des MRT und dem Urologen bzw. der Urologin zum Beispiel die Biopsie- und Therapieplanung“, ist Dominik Nörenberg überzeugt. Vor allem die Möglichkeit, mithilfe der Plattform unterschiedliche Daten der Histologie, Radiologie und Urologie zusammenzuführen, sei von großer Bedeutung. Ergänzt werden kann die Software jedoch auch manuell mit Fachwissen und Erfahrungswerten, sodass am Ende die Kombination aus präziser digitaler KI-gestützter Datenanalyse und dem vorhandenen medizinischem Erfahrungswissen der Fachexpertinnen und -experten sehr individuelle Therapievorschläge für den Patienten generieren kann. „Nicht zuletzt wollen wir die Software auch an klinische Systeme anbinden, sodass es sich nicht nur um eine Insellösung handelt, sondern die Software tatsächlich in den klinischen Arbeitsalltag integriert werden kann“, so der Radiologe weiter. Für die Patienten könnte das künftig eine gute Grundlage für eine fundierte und erfolgversprechende Therapie des Prostatakarzinoms schaffen, da sind sich die Medizinerinnen und Mediziner sicher.

Klinikübergreifende solide Datenbasis als Basis für KI

Bisher stützt sich das Projekt auf circa 500 retrospektiv und prospektiv erhobene Datensätze von Prostatakarzinompatienten aus den beiden Universitätskliniken. „Im Vergleich zu anderen KI-Projekten ist das eine sehr solide und breite Datenbasis und die Voraussetzung für die quantitative Bildanalyse und den bestmöglichen Einsatz der Künstlichen Intelligenz“, ergänzt Dr. Fabian Tollens, stellvertretender Leiter des Ambulanten Radiologischen Zentrums am Universitätsklinikum Mannheim. Ein auf diese Weise arbeitendes KI-Tool sei deutlich valider als andere Systeme, die nur Daten aus einem Standort verwenden können und keine prospektiven Daten nutzen, betont Dr. Nörenberg und hebt dabei auch den Stellenwert der unterschiedlichen Partner im RESECT-Konsortium hervor. Seit 2020 wurden die Arbeiten vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg im Rahmen des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg mit fast 740.000 EUR gefördert. Ende 2022 läuft das Projekt aus, und Dr. Nörenberg ist zufrieden: „Wir greifen mit unserem Projekt viele drängende Themen der Medizin auf – demografischer Wandel, Digitalisierung, Anwendung Künstlicher Intelligenz – und verknüpfen diese miteinander, sodass ein großer klinischer Nutzen für viele Gruppen entsteht. “Langfristig haben die Forschenden ehrgeizige Ziele: Sie wollen ihre aktuellen Ergebnisse weiter im akademischen und klinischen Setting validieren und in ein modular einsetzbares Therapieplanungstool überführen. Mittel- bis langfristig wird es dann im nächsten Schritt um die weitere Produktentwicklung und kommerzielle Verwertung gehen. Dr. Nörenberg: „Wir streben eine Produktentwicklung an, die auch im Markt und im klinischen Alltag konkret eingesetzt werden kann. Es ist aber klar, dass dafür noch viele Schritte getan werden müssen – sowohl auf der Ebene der weiteren klinischen Validierung und der Optimierung unserer einzelnen Module als auch der konkreten Produktentwicklung entlang der Vorgaben der EU-Medizinprodukteverordnung.“ Darüber hinaus ist aus Sicht der Medizinerinnen und Mediziner denkbar, dass ihr KI-basiertes Therapieplanungstool auch für andere Krebsarten einsetzbar ist – etwa beim Brustkrebs.

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